Am 12. Dezember 2016 tagte der Bundesvorstand der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU (OMV) – Union der Vertriebenen und Flüchtlinge – zum Jahresabschluss in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin.
Zu Beginn begrüßte der OMV-Bundesvorsitzende Helmut Sauer (Salzgitter) herzlich den Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, den er um einen Bericht aus dessen Arbeitsbereich gebeten hatte. Ebenfalls begrüßte Sauer Ministerialrat Dr. Manfred Michl, Referatsleiter aus dem Bundesministerium des Innern (BMI), der wiederum von Koschyk als Experte für den Bereich der Zwangsarbeiterentschädigung hinzugebeten worden war.
Spätaussiedler
Koschyk begann seine Ausführungen mit einer kurzen Statistik. So sei aufgrund der gesetzlichen Verbesserungen im Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz auch in diesem Jahr erneut mit einer leichten Steigerung der Spätaussiedlerzahlen zu rechnen. Derzeit gehe man für 2016 von ca. 6.500 neu nach Deutschland kommenden Spätaussiedlern aus. Die Zuzugszahlen machten deutlich, dass nach wie vor Integrationsarbeit geleistet werden müsse, die dafür zur Verfügung stehenden Mittel im Bundeshaushalt also durchaus ihre Berechtigung hätten.
Der Bundesbeauftragte berichtete ferner über die Planungen einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Bundeszentrale für politische Bildung im Jahr 2017, in deren Vordergrund die Integration, politische Bildung und Teilhabe von russlanddeutschen Aussiedlern stehe. Die Veranstaltung sei für Ende März geplant.
Ein weiteres aktuelles Thema im Bereich der Spätaussiedler sei deren aufgrund gesetzlicher Regelungen in der Vergangenheit erhöhtes Armutsrisiko im Alter. Die Problematik sei auch aufgrund guter Vorarbeit des Bundes der Vertriebenen (BdV) unterdessen in der CDU/CSU-Fraktion angekommen. Es gelte, dieses Risiko zukünftig abzumildern.
Deutsche Minderheiten
Für den Bereich der deutschen Minderheiten in den Staaten Mittel- und Osteuropas sowie in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, denen schätzungsweise rund 1,2 Millionen Menschen angehörten, berichtete Koschyk von den sehr guten Selbstverwaltungsstrukturen und der wichtigen Brückenfunktion zur jeweiligen Mehrheitsbevölkerung.
Diese vorbildhafte Rolle der deutschen Minderheiten, die als Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) unter dem Dach der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten arbeiteten, werde organisatorisch durch eine AGDM-Koordinierungsstelle unterstützt, die seit 2005 in Berlin eingerichtet sei und für dessen Einrichtung sich Koschyk stark eingesetzt habe. Anlässlich ihres 25. Jubiläums habe die AGDM im November in Berlin ihre Jahres- sowie eine wissenschaftliche Fachtagung durchgeführt. In diesem Rahmen sei der Vorsitzende des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, Bernard Gaida, zum neuen Sprecher der Arbeitsgemeinschaft gewählt und auch eine Geschäftsordnung erarbeitet worden. Die Wertschätzung durch die Bundesregierung sei u.a. durch einen Empfang bei Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB erwiesen worden.
Der Bundesbeauftragte erklärte abschließend, mit dem im November beschlossenen Bundeshaushalt für 2017 werde die wichtige Arbeit im Bereich der nationalen Minderheiten, Vertriebenen und Aussiedler auch im kommenden Jahrfortgesetzt.
Der OMV-Bundesvorsitzende Helmut Sauer ergänzte Koschyks Bericht um Erfahrungen, die er bei seinen regelmäßigen Reisen in seine schlesische Heimat gemacht habe – zuletzt im August nach Breslau mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Prof. Monika Grütters MdB. Sauer betonte, er stehe mit vielen Vertretern der deutschen Volksgruppe vor Ort, aber auch mit den Würdenträgern in den Diözesen sowie mit Kommunalpolitikern in den Woiwodschaften in freundschaftlichem und offenem Kontakt. Gerade in Zeiten einer PiS-Regierung in Warschau gelte es, vor Ort dialogbereit zu bleiben und aufzuzeigen, inwieweit Kommunen und Regionen beiderseits der Grenze schon jetzt von bestehenden Paten- und Partnerschaften profitierten und dies auch zukünftig könnten. Für die minderheitenpolitischen Zielsetzungen der Deutschen in Polen ließe sich auch werben, wenn man in Verhandlungsrunden vergleichend auf die polnischen Forderungen für die polnische Minderheit in Litauen hinweise.
Weitere wichtige Fragen, die zur Minderheitenthematik in der Bundesvorstandsitzung zur Sprache kamen, waren etwa die muttersprachliche Bildungssituation insbesondere der Deutschen in Polen sowie die rechtliche Stellung der deutschen Minderheit in Polen im Vergleich mit der sogenannten Polonia in Deutschland.
Zwangsarbeiterentschädigung
Gemeinsam mit Ministerialrat Dr. Michl berichtete der Bundesbeauftragte Hartmut Koschyk außerdem über den Umsetzungsstand der Anerkennungsleistung für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter. Helmut Sauer wies darauf hin, dass sich im politischen Bereich insbesondere die OMV immer wieder für die Einführung einer solchen Entschädigung eingesetzt hatte.
Seit dem 1. August 2016 gelte die unter Federführung des BMI erarbeitete Anerkennungsrichtline und würden also eingehende Anträge vom Bundesverwaltungsamt bearbeitet und beschieden. Seit Umsetzungsbeginn seien unterdessen mehr als 10.000 Anträge eingegangen, was auf eine gute und gezielte Information innerhalb der betroffenen Kreise schließen lasse, so Koschyk und Michl.
Am 20. Oktober 2016 habe sich der laut Richtlinie einzurichtende Beirat zur fachlichen Begleitung konstituiert. Mitglieder seien Prof. Dr. Horst Möller und Prof. Dr. Sönke Neitzel aus dem wissenschaftlichen Bereich, Erika Steinbach MdB (CDU) und Matthias Schmidt MdB (SPD) als Vertreter des Deutschen Bundestages sowie BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB und Gisela Schewell vonseiten des Bundes der Vertriebenen. Professor Möller sei zum Vorsitzenden dieses Gremiums gewählt worden.
Im Anschluss an die Ausführungen zum Sachstand beantwortete Ministerialrat Michl zahlreiche Einzelfragen zum Thema. Überdies ging BdV-Präsident Fabritius auf seine Arbeit im zuständigen Beirat ein.
Aktuelle politische Lage
Im weiteren Verlauf der Sitzung berichtete der OMV-Bundesvorsitzende Sauer kursorisch über aktuelle politische Entwicklungen – circa 10 Monate vor der Bundestagswahl - sowie über Ergebnisse und Erfahrungen vom 29. Parteitag der CDU in Essen. Dabei lobte er u.a. die vertriebenenpolitischen Inhalte des neuen CSU-Grundsatzprogrammes „Die Ordnung“. Er begrüßte die Wiederwahl von Bundeskanzlerin Merkel zur Parteivorsitzenden. Trotz kritischer Stimmen sei die Bundeskanzlerin und mit ihr die CDU-geführte Bundesregierung insgesamtderStabilitätsfaktor in Europa, der erhalten werden müsse.
Besuch der Ausstellung „Verschwunden – Orte, die es nicht mehr gibt“
Letzter Programmpunkt der Jahresabschlusssitzung des OMV-Bundesvorstandes war ein gemeinsamer Besuch der vierten Ausstellung der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen „Verschwunden – Orte, die es nicht mehr gibt“, die am 8. November 2016 im Kronprinzenpalais Berlin eröffnet worden war. Unter kundiger Führung des verantwortlichen Ausstellungskurators Wilfried Rogasch informierten sich die Vorstandsmitglieder darüber, wie viele Orte – Städte und Dörfer, aber auch etwa einzelne Bauten, Denkmäler oder Friedhöfe – in den ehemaligen deutschen Ostgebieten und den deutschen Siedlungsgebieten im Osten nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden und aus welchem Grund. Vom Abriss aus ideologischen Gründen bis hin zum tatsächlichen oder geplanten Wiederaufbau in jüngerer Zeit als positives Zeichen wurden zahlreiche Entwicklungen thematisiert. Die Bundesvorstandsmitglieder zeigten sich bewegt angesichts des erneut sichtbar gewordenen, immensen kulturellen Verlustes.
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